
Schon als Kind war ich gerne damit beschäftigt, mir über Gott und die Welt den Kopf zu zerbrechen. Da ich gut mit mir alleine zurecht kam und die Natur liebte, streifte ich oft durch den Wald. Worüber ich nachdachte, kann ich heute nicht mehr genau sagen. Sicherlich Dinge, die einen jungen Menschen beschäftigen, wenn er langsam älter wird. Schule, Freunde, Familie….
Von der Kindheitsmelancholie zur Informationsflut
Heute, da ich nahezu ein halbes Jahrhundert Leben hinter mir habe, sind es sicherlich andere Themen, die mich beschäftigen. Ob die Welt heute insgesamt komplizierter geworden ist, oder ob es nur in meiner eigenen Gedankenwelt der Fall ist, habe ich mich schon oft gefragt. Oder ist es schlicht die Menge an Informationen, die uns zu allen möglichen Geschehnissen erreichen? Das Internet ist in dieser Hinsicht sicherlich Fluch und Segen zugleich. Viele Annehmlichkeiten, die es uns beschert hat, möchte ich nicht mehr missen. Zum Beispiel die Möglichkeit, meine Gedanken in Form eines Blogs zu veröffentlichen.
Die Evolution gerät ins Hintertreffen
Eine von vielen Theorien, die die Entwicklung des Internets und der digitalen Medien beleuchtet, sagt, dass unser Gehirn evolutionär nicht dafür geschaffen ist, mit der Geschwindigkeit, mit der sich die digitale Welt und damit unser aller Leben verändert hat, Schritt zu halten. Betrachtet man die Entwicklung des Menschen und seine Anpassung an den technischen Fortschritt, so hat man den Eindruck, als würden wir einem anfahrenden Auto auf einer runden Rennstrecke hinterherlaufen. Anfangs konnten wir noch gemütlich nebenherlaufen und uns das Auto anschauen. Wir konnten uns daran gewöhnen, wie es ist, sich zu bewegen, und unser Körper passte sich an.
Der Moment, in dem das Auto davonrast
Dann schaltete das Auto in den zweiten Gang und der Mensch musste schon schnell laufen, um dranzubleiben. Der Körper versuchte sich auch jetzt noch anzupassen, letztendlich war er jedoch froh, halbwegs Schritt zu halten. Als das Auto in den dritten Gang schaltete, rannte der Mensch so schnell er konnte. Der Puls schoss in die Höhe und es wurde ihm bewusst, dass er das Tempo auf Dauer nicht wird halten können. Langsam entfernte sich das Auto und wurde aus Sicht des Menschen immer kleiner. Der Mensch blieb stehen und hechelte nach Luft. Gerade als er dachte, dass er wieder genug Energie hat, um die Verfolgung aufzunehmen, überrundete ihn das Auto, und er realisierte, dass er das Rennen verloren hat.
Die Grenzen des menschlichen Wunders
Aktuell sind wir in der Phase, in der wir schon schneller laufen. Uns wird klar, dass es schiefgehen könnte. Wir haben noch Hoffnung, aber sie wird zunehmend kleiner, weil sich die Technik einfach zu schnell entwickelt. Der menschliche Körper und insbesondere das Gehirn, ist unglaublich anpassungsfähig. Ein echtes Wunder. Dennoch hat auch er seine Grenzen, und diese sind meiner Meinung nach aktuell erreicht.
Das Rennen ist verloren – zumindest, wenn wir versuchen, jeder technologischen Entwicklung hinterherzujagen. Die Antwort auf die Frage, ob man zu viel denken kann, lautet daher: Ja, wenn das Denken nur noch auf die Verarbeitung fremder, stetig wachsender Informationsmengen reduziert wird.
Die unglaubliche Anpassungsfähigkeit unseres Gehirns, dieses Wunder, das uns einst auf zwei Beine stellte und die Keilschrift erfand, steht nun vor seiner größten Herausforderung. Es geht nicht darum, das Tempo zu verdoppeln, sondern darum, bewusst stehenzubleiben. Wir müssen uns entscheiden, an welcher Stelle wir aus der Rennstrecke aussteigen und uns wieder auf die Dinge besinnen, die nur in der menschlichen Geschwindigkeit wachsen: Weisheit, Empathie und die Fähigkeit, das Leben in Ruhe zu reflektieren.
Nur wenn wir lernen, die Flut zu filtern, statt uns von ihr ertränken zu lassen, kann die Gedankenfeder wieder schreiben.
